Internationale und nationale PISA Studien und die Bildungsreform
Eine ganze Reihe von Untersuchungen internationaler und nationaler Art (TIMSS, PISA, BM IGLU) haben deutlich gemacht, dass die nach wie vor ungenügende Integration der Kinder mit Migrationshintergrund und deren nach wie vor zu geringen Bildungserfolge nicht zuletzt ihre Ursachen in institutionellen Mängeln und Schwächen des deutschen Bildungssystems haben:
– Das deutsche Bildungssystem ist sozial selektiv und benachteiligt damit SchülerInnen, die aus sozialökonomisch schwachen Familien stammen;
– Hauptgrund dafür ist das dreigliedrige Schulsystem mit seinen Zuweisungen und Empfehlungen nach der Grundschule;
– Insbesondere SchülerInnen , die aus sozial und ökonomisch schwachen Familien stammen und/oder aus Familien mit Migrationshintergrund stammen, haben geringere Bildungschancen und Bildungserfolge;
– SchülerInnen mit Migrationshintergrund sind nicht die Ursache für die Bildungsmisere oder Bildungserfolge;
– Vorschulische Einrichtungen, Kindergärten sind noch nicht als Bildungseinrichtungen reformiert worden;
– Bildung in der Ganztagsschule ist nicht in genügenden Maße realisiert;
– LehrerInnen und ErzieherInnen werden nicht entsprechend der Bedürfnisse und der Realität der kulturellen Vielfalt in der Gesellschaft ausgebildet.
Diese kritische Bewertung des deutschen Schulsystems, die in weiten Teilen auch unserer eigenen Einschätzung und unseren Erfahrungen in der Arbeit des Vereins entspricht, haben wir genutzt um auf einem ersten Elternkongress in Berlin am 2.9.2006 (federführend gemeinsam mit dem Türkischen Bund Berlin TBB und unter Beteiligung vieler Migranten-Selbsthilfeorganisationen) die Situation zu beraten und Lösungsvorschläge zu formulieren. Mit der Unterstützung der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie des Integrations- und Migrationsbeauftragten und mittels der finanziellen Unterstützung durch die Berliner Klassenlotterie wurde der Kongress ein voller Erfolg.
Im Ergebnis des Kongresses haben wir unsere Bildungsforderungen artikuliert und den politischen Parteien übermittelt:
1. In absehbarer Zeit soll das sozial aussortierende, dreigliedrige Schulsystem, insbesondere die Schulform „Hauptschule“ abgeschafft werden. Das derzeitige Schulsystem ermöglicht nicht die gleichen Bildungschancen für alle Kinder. Die Bildungserfolge sind sehr stark abhängig von der sozialen und ökonomischen Situation der Eltern abhängig.
2. Bei den Stellenausschreibungen für LehrerInnen und ErzieherInnen soll das Merkmal „Migrationshintergrund“ angegeben werden und dieser Personenkreis soll vorrangig eingestellt werden. Eine Steigerung der Zahlt der Lehrkräfte mit Migrationshintergrund sorgt nicht nur für ein interkulturelles Lehrklima; sie wirken auch als Vorbilder und somit tragen sie bei zur Steigerung der Lehrmotivation der SchülerInnen mit Migrationshintergrund.
3. In allen Bildungseinrichtungen sind die Muttersprachen der SchülerInnen zu fördern.
4. Ein Verbot des Gebrauchs der Muttersprache in der Schule ist völlig unakzeptabel, entsprechende Verbote sind unverzüglich aufzuheben.
5. Für die Eltern mit Migrationshintergrund sind Elternbildungsseminare anzubieten, damit sie ihre Kinder in schulischen Belangen noch bewusster unterstützen können. Die bereits bestehenden Projekte sowie Mütterkurse auf Bezirksebene sind auszuweiten und zu fördern.
6. Wir unterstützen die Einführung des Wahlpflichtfaches „Ethik“ an den Berliner Schulen.
Heute nach 30 Jahren Elternarbeit können wir feststellen, dass die auch von uns geforderten Bildungsreformen, zwar sehr spät gekommen sind aber gleichwohl die Situation der SchülerInnen mit Migrationshintergrund und/oder die aus sozial ökonomisch schwachen Familien stammen wesentlich verbessert haben.
Die Bildungsreformen, nicht zuletzt angestoßen von unserem Verein, aber auch der GEW und einer Vielzahl von NGO’s und Bildungswissenschaftlern haben letztendlich dazu geführt dass:
1. die vorschulischen Einrichtungen (Kitas) nicht nur als Betreuungseinrichtungen, sondern auch als Bildungs- und Erziehungseinrichtungen in das Gesamtsystem „Bildung“ integriert wurden;
2. der Beruf der ErzieherInnen von einem Ausbildungsberuf zu einem Hochschulabschluss heraufgestuft wurde;
3. das dreigliedrige Schulsystem mit der Oberschulreform abgeschafft wurde und sich somit die Chancengleichheit für SchülerInnen mit Migrationshintergrund und /oder aus sozialökonomisch schwachen Familien wesentlich erhöht hat;
4. die Haupt-, Real- und Gesamtschulen im Jahr 2010 abgeschafft und zum Schuljahr 2010/2011 in Integrierte Sekundarschulen umgewandelt wurden. Alle Sekundarschulen werden zu Ganztagsschulen und in jedem Bezirk werden mindestens ein Ganztagsgymnasium und eine Ganztagsgrundschule angeboten.
5. der Mittlere Schulabschluss (MSA) und das Zentralabitur als Hochschulreife eingeführt wurden. Bei den Grundständigen Gymnasien erfolgt die Erlangung der Hochschulreife nach elf Schuljahren, bei den Gymnasien nach zwölf Jahren und an den Integrierten Sekundarschulen nach dreizehn Jahren.
6. die vorschulischen und schulischen Bildungskonzepte von externen Experten evaluiert werden und gegebenenfalls entsprechend der demografischen Entwicklung an die konkreten Verhältnisse angepasst werden um die Bildungsabschlüsse zu verbessern.
Nicht zuletzt führten die vorgenannten Reformen auch zu einer erheblichen Verbesserung der Beteiligungsrechte der Eltern in den Gremien und somit zu einer Verstärkung deren Teilhabe am schulischen Leben.
Im Rahmen der Schulstrukturreformen wurden die NGOs und die Elternvereine zwar nicht ganz mit einbezogen, dennoch sind wir als TEVBB sehr erfreut darüber, dass unsere seit Jahrzehnten gestellten Forderungen teilweise berücksichtigt wurden.Das gibt uns die nötige Motivation weiterhin die Reformen im Bildungssystem zu unterstützen und auf dem Handlungsfeld „Integration durch Bildung“ tätig zu sein.
In diesem Sinne werden wir uns weiterhin für Chancengleichheit von sozialökonomisch benachteiligten Famen und deren Kinder einsetzen . Angesichts der knappen Ressourcen von Personal und Trägerstrukturen im im Bildungswesen ist eine starke Elternschaft unerlässlich.
Mehr dazu:
Interkulturelle Begegnungen
Muttersprachlicher Unterricht
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